Autor: Jessica Falzoi (Seite 1 von 2)

Szene und Zusammenfassung

Eine Geschichte wird in einem Wechselspiel von Szenen und Zusammenfassungen präsentiert. Szenen ziehen uns ins Geschehen, Zusammenfassungen lassen uns das Ganze mit mehr Abstand betrachten und ermöglichen Atempausen, in denen Ereignisse reflektiert oder notwendiges Hintergrundwissen geliefert werden können.

Lassen Sie uns folgenden Ausschnitt aus „Ysrael“ von Junot Diaz daraufhin untersuchen:

Zusammenfassung: Wenn er zu diesen Mädchen ging, hatte er immer dieselben Klamotten an, ein Hemd und eine Hose, die ihm mein Vater letzte Weihnachten aus den Staaten geschickt hatte. Ich folgte Rafa immer, versuchte ihn zu überreden, dass er mich mitnahm.
Szene: „Geh nach Hause“, sagte er dann. „In ein paar Stunden bin ich wieder zurück.“
„Ich begleite dich.“
„Ich brauch keine Begleitung. Warte einfach auf mich.“
ZusammenfassungWenn ich nicht lockerließ, boxte er mich auf die Schulter und ging weiter, bis von ihm nichts mehr zu sehen war als die Farbe seines Hemdes durch die Lücken im Laub. Etwas in mir fiel in sich zusammen wie ein Segel. Wenn ich dann seinen Namen rief, rannte er weiter und die Farne, Zweige und Blütenhülsen zitterten unter seinen Schritten.

Merke:

  • Eine Zusammenfassung präsentiert eine relativ lange Zeitspanne oder Wiederholungen, eine Szene vermittelt das Gefühl von Einmaligkeit und passiert quasi in Echtzeit
  • Die Zusammenfassung ist nützlich, weil sie Informationen zum Charakter und zum Setting gibt, das Tempo steigert, (langweilige) Passagen oder ereignislose Zeiten überbrücken kann
  • Die Szene ist wichtig, weil sie uns erlaubt, live dabei zu sein; wir erleben direkt, was die Figuren erleben
  • Dialoge sind immer Szenen
  • Eine Szene muss entscheidende Momente der Geschichte enthalten, eine Konfrontation, einen Wendepunkt, die Krise; diese Momente können nicht zusammengefasst werden, weil sie den Leser um das Erleben bringen würden
  • Die Zusammenfassung schafft eine Distanz zum Geschehen (Zoom-Out); wenn die Szene beginnt, werden wir ins Geschehen hineingezogen (Zoom-In)
  • Momente der Veränderung müssen live und in Echtzeit erlebt werden, also als Szene
  • Die Zusammenfassung beschreibt die Dinge, wie sie bis jetzt gewesen sind, dann passiert etwas, das in Echtzeit, im Präsenz erzählt werden muss, also als Szene
  • Die Momente, die unser Leben ändern, bleiben im Detail in Erinnerung
  • In Momenten der Krise passiert es sogar, dass die Uhr langsamer als in Echtzeit tickt; in Zeitlupe wirkt eine Szene noch intensiver

Arrangieren Sie Zusammenfassungen und Szenen so, dass Sie die Stimmung und die Spannung optimal transportieren. Wenn Ihre Geschichte zu langatmig erscheint, fügen Sie ein paar Szenen hinzu. Wird zuviel Zeit mit scheinbar belanglosen Dingen verquasselt, machen Sie aus den Szenen Zusammenfassungen. Auf die richtige Mischung kommt es an.

Überarbeitung – Inhalt und Verpackung

Wenn ich mich dem Ende eines Erstentwurfs nähere, egal, ob es sich um eine Kurzgeschichte, einen Essay oder Roman handelt, spüre ich eine Art ungeduldige Unruhe, und ich weiß, dass ich den Schreibtisch nicht mehr verlassen darf, bis der letzte Satz geschrieben ist.  Natürlich macht es einen Unterschied, ob man ein paar Tage oder ein paar Monate an einem Projekt gesessen hat,  und so wird man bei letzterem vermutlich mehr das Gefühl haben, etwas Großes vollbracht zu haben, aber auch die Beendigung eines kürzeren Textes ist es wert, gefeiert zu werden. Zumal jener fast ebenso viel Zeit und Energie bei der Überarbeitung erfordert.  Aber genau das ist das Thema, bei dem viele Schriftsteller unsicher sind, und auch ich habe lange Zeit darunter verstanden, den Text lediglich auf fehlerhafte Rechtschreibung und Grammatik zu überprüfen. Aber Überarbeitung bedeutet sehr viel mehr – erst die Überarbeitung macht aus unserem Erstentwurf eine Geschichte.

Der erste Schritt führt uns weg vom Schreibtisch, oder wo auch immer wir geschrieben haben. Selbst wenn es schwer fällt, nehmen Sie sich eine Auszeit, belohnen Sie sich, seien Sie stolz auf Ihren Fleiß und Ihr Durchhaltevermögen. Dann, wenn Sie den Kopf wieder frei haben, nehmen Sie die Geschichte wieder zur Hand, Ihr Operationswerkzeug neben sich, Ihr Kopf ist klar, alle Sentimentalitäten ganz hinten in die Schublade verbannt, und es kann losgehen. Vorsicht! Manchmal helfen nur radikale Veränderungen, deswegen der erste Tipp: Verdrängen Sie, dass es Ihre eigene Geschichte ist, die da unter dem Messer liegt. Stellen Sie sich vor,  Sie müssen eine Geschichte überarbeiten, die Ihnen von einem Freund empfohlen worden ist, der Ihnen grundsätzlich schlechte Geschichten empfiehlt. Seien Sie erbarmungslos.

Ich habe vor Jahren eine Geschichte geschrieben, die in meinen Augen abgeschlossen war, aber mich trotz unzähliger Überarbeitungsversuche – auch mit größeren Abständen dazwischen – nicht überzeugte. Sie war nicht wirklich schlecht geschrieben, aber irgendetwas hinderte mich daran, sie richtig gut zu finden. „Muss eine Geschichte immer richtig gut sein?“, fragte mich eine Freundin, nachdem ich mit ihrem Urteil („ganz okay“), nicht gerade glücklich war. Ja, finde ich, wenn eine Geschichte nicht richtig gut ist, und das schon der Verfasser denkt, dann sollte sie nicht in die Welt geschickt werden, um zwischen all den anderen, womöglich besseren, unterzugehen. Also habe ich mich zuerst daran gemacht, nach dem Thema zu suchen, das ihr zu Grunde liegt. Als ich dieses gefunden hatte (Vorsicht, auch hier kann man mehrere Tage suchen!), habe ich gemerkt, dass die Handlung es nicht genügend würdigte. Deshalb war die Geschichte am Ende nur lauwarm. Und doch war das Thema mir wichtig. Ich legte die Geschichte weg, nahm sie nach ein paar Monaten wieder zur Hand, gab ihr einen neuen Titel, strich an einer Stelle ein bisschen weg und fügte an einer anderen Stelle etwas zu. Aber sie blieb lauwarm.

Ich war an dem Punkt angelangt, dass die Geschichte zu gut zum Wegwerfen war, aber auch zu schlecht, um sie jemandem zum Lesen zu geben. Also setzte ich mich noch einmal ran mit der Frage: Was hat mich an dieser Geschichte wirklich interessiert? Was wollte ich damit sagen?
Erst dann begann ich zu sehen, dass das Thema viel größer war als die Handlung, als die Ereignisse, mit denen es transportiert werden sollte. Ich wollte herausfinden, mit welcher Story sich dieses mir am Herzen liegende Thema besser erzählen konnte. Und so habe ich meine Charaktere älter werden lassen, erfahrener, das Setting geändert sowie das auslösende Ereignis und hatte schließlich eine neue Geschichte, auch wenn es noch genug Ähnlichkeiten zur ursprünglichen gab. Die jahrelange Arbeit hat sich gelohnt: Als ich schließlich fertig war, hatte mein mir wichtiges Thema endlich die Verpackung, die es verdient hat, und meine Geschichte tauchte aus dem Sumpf der Mittelmäßigkeit auf.

Kommen wir zum Inhalt, denn auch der kann ein unpassender sein und die originelle Verpackung schäbig aussehen lassen. Es hat ein Ereignis gegeben, dass Ihr Interesse geweckt hat und Sie haben darüber geschrieben. Sie sind verliebt in das Setting und bereit, es mit allen Details vor Ihren Lesern wieder auferstehen zu lassen. Aber Ihre Charaktere bewegen sich darin nur wie Schauspieler, die als Extras eingeteilt wurden, und die Hauptrollen sind abgehauen. Ihre Charaktere wurden in das Setting gepresst, ohne dass sie gefragt wurden, also sehen sie nicht ein, sich Mühe zu geben. Fragen Sie sich erneut: Was interessiert Sie an dem Setting? Was für Gefühle löst es bei Ihnen aus? Bei welcher Handlung kommen diese Gefühle am besten zum Tragen? Dann machen Sie ein Casting und suchen sich Ihre Schauspieler genau aus. Ein Paar kurz vor der Trennung? Ein geschiedener Vater mit seinen beiden Kindern? Eine Frau, deren Mutter im Krankenhaus an Krebs sterben wird? Hat die Geschichte am Ende an Relevanz und an Emotionalität gewonnen, sind Sie auf dem richtigen Weg. Denken Sie daran, dass mehrere Aspekte stimmen müssen, um eine Geschichte richtig gut zu machen: Das Thema, das Ereignis, die Menschen. Niemand hat die Geduld, etwas zu lesen, was nicht von Relevanz ist.

Wir brauchen Abstand, um etwas mit frischen Augen sehen zu können. Lassen Sie Ihre Geschichte eine Weile in Ruhe, wenn Sie das Gefühl haben, nicht weiterzukommen. Aber denken Sie ab und zu über sie nach. Fragen Sie sich, wie der Protagonist sich jetzt wohl fühlt. Versetzen Sie sich in seine Lage. Sehen Sie die Welt mit seinen Augen. Lassen Sie ihn alles noch einmal erzählen, mit seiner Stimme, seinen Erfahrungen. Halten Sie sich einmal ganz bescheiden zurück. Vielleicht hat er seine Geschichte ganz anders erzählen wollen, vielleicht hat er überhaupt eine andere Geschichte erzählen wollen. Irgendetwas hat Sie fasziniert, lauschen Sie noch einmal auf diese erste zaghafte Idee. Bleiben Sie offen. Wenn Sie noch einmal von vorn anfangen müssen, tun Sie das. Ihre Geschichte, Ihr Protagonist hat sich diesen Neuanfang verdient, genau wie Sie sich neue Anfänge im echten Leben verdienen. Kein Wort, kein Satz, keine Seite ist umsonst. Mit jedem weiteren Buchstaben sind Sie zum besseren Schriftsteller geworden. 

Egal, wie viel Arbeit und Mühe wir in das Schreiben einer Geschichte stecken, sie hat am Ende, wenn sie beim Leser landet, nur eine einzige Chance. Gehen Sie sicher, dass sie sie bekommt. 

So finden Sie Ihren Plot

Wenn Sie ein Buch öffnen und es dem Schriftsteller gelungen ist, es zu einem organischen Ganzen zu machen, sprich, der Geschichte – egal ob lang oder kurz – eine Struktur zu geben, bei der alles zusammenpasst und an richtiger Stelle sitzt, sodass sie sich natürlich vor Ihren Augen und allen weiteren Sinnen ausgebreitet hat, dann stimmt der Plot. Ein Begriff, vor dem viele zusammenzucken, andere absolut der Meinung sind, dass sie ihn „beherrschen“, und die meisten, wenn sie ehrlich sind, nichts Konkretes darunter verstehen können, egal, wie lange sie sich damit beschäftigen.

Ich rede lieber von der Struktur, die zwar nicht 1:1 zu übertragen ist, aber sich dennoch in abgewandelter Form immer wieder in gelungenen Geschichten entdecken lässt. Eine Art Rezept, die unsere Urahnen von Generation zu Generation mündlich weitergegeben haben, die ein jeder um seine eigene Geheimzutat erweitert hat, und doch bleibt es im Grundsatz das, was vor vielen Jahrhunderten schon gemundet hat. Aber in einem Kochbuch werden Sie solch ein Rezept nicht finden. Es gibt auch keine Fertigbackmischung dazu. Nein, Sie müssen in die Lehre gehen, bei den Meistern lernen, ihnen über die Schultern schauen, alles genau beobachten. Und dann starten Sie Ihre ersten Versuche, werden immer besser, gehen Risiken ein, schaffen schließlich einen Kuchen, der unverkennbar aus Ihren Händen stammt.

Es ist jedes Mal ein neues Abenteuer, auf das wir unseren Protagonisten schicken und das auch wir selbst erleben müssen, oftmals gleichzeitig mit ihm, und nur selten sind wir ihm ein Stückchen voraus, vielleicht deshalb, weil das, was wir dann erleben, so heftig ist, dass es uns selbst erschrickt. Und wir uns ganz berechtigt scheuen, unser „Baby“ ins Verderben zu schicken. Wenn eine Geschichte so entsteht, dass der Schriftsteller selbst am Staunen ist, sich selbst fürchtet, selbst hofft, und am Ende selbst die Transformation erlebt oder, wie bei Hamlet, sich noch immer weigert, diese zu erleben und stur bei seiner Routine bleibt, die ja schuld an seiner Misere ist, erst dann wird es uns gelingen, unvergessene Geschichten zu schreiben. Deswegen sollte jede Plothilfe, jeder Plan, jedes „intellektuelle“ Strukturieren erst anschließend an das Schreiben des Erstentwurfs geschehen, damit Sie instinktiv verfahren. Sich ins Abenteuer stürzen, mit allen Sinnen. Es liegt an Ihnen zu entscheiden, ob Sie eine Pauschalreise buchen oder ein One-Way-Ticket in ein unbekanntes Land. Mit ersterem können Sie sogar recht erfolgreich sein, siehe Stieg Larsson oder Henning Mankell. Zu einer unvergesslichen Geschichte, die man noch nach Jahrzehnten immer wieder lesen will, an allen Plätzen dieser Erde, reicht solch ein Verfahren jedoch nicht. Egal, an welche berühmte Geschichte Sie jetzt denken, der Verfasser hat garantiert keine Reiserücktrittsversicherung gebucht.

Schreiben Sie Ihre Geschichte. Schreiben Sie sich die Seele aus dem Leib oder wie Roberto Bolaño und andere unsterbliche Schriftsteller und Dichter raten, aus Ihren Eingeweiden. Lassen Sie alles raus, was Ihnen einfällt. Unterdrücken Sie nichts, egal, wie wenig es damit zu tun haben scheint oder wie dumm es sich anfühlt. Später können Sie es immer noch entfernen. Je umfangreicher, je verrückter der Erstentwurf, umso tiefer und komplexer wird Ihre Geschichte am Ende. Haben Sie Vertrauen, zuallererst in sich selbst: Sie werden einen Grund haben, warum Sie genau diesen Satz aufschreiben mussten. Lassen Sie sich von keinem äußeren Einfluss leiten, fragen Sie sich nicht, ob das, was Sie schreiben, der Mutter oder der Freundin gefallen, dem Ehemann oder den Kindern missfallen könnte. Nehmen Sie sich vor allem nicht vor, einen Bestseller zu schreiben. Schreiben Sie, was Sie – und nur Sie – zu schreiben haben.

Dann, erst dann, wenn alles raus ist, wenn die Geschichte auf 10 oder auf 1000 Seiten vor Ihnen liegt, ein heilloses Durcheinander zwar, und voller unzusammenhängenden und überflüssigen Dingen, dann gehen Sie nach einer angemessenen Pause wieder ran und suchen nach dem Plot. Und fangen an zu sortieren. Damit Sie am Ende eine Struktur finden, die genau auf diese Geschichte passt. Eine einmalige Struktur für Ihre einmalige Geschichte, die mit Ihrer einmaligen Stimme erzählt wird.

Dabei hilft es immer, sich die Strukturen von Geschichten anzuschauen, bei denen genau das herausgekommen ist. Allein die Frage, die sich am Anfang stellt, ist das Ende des roten Fadens, den Sie dann nur noch abwickeln müssen. Schauen wir uns ein paar Beispiele an:

  • Jane Austens Stolz und Vorurteil: Wird die Protagonistin einen Mann finden (denn das musste ein heranwachsendes Mädchen damals, wenn sie nicht im Armenhaus landen wollte), der sie liebt und sie nicht ihrer Autonomie beraubt?
  • Kingsley Amis’ Glück für Jim: Wird der Protagonist erkennen, dass es ihn nicht glücklich macht, sich immer nur durchs Leben zu schummeln und mehr schlecht als recht den Schlägen auszuweichen?
  • Mercè Rodoredas Auf der Plaça del Diamant: Wird die Protagonistin aus ihrer Passivität herauskommen und endlich selbst über ihr Leben bestimmen?
  • Harper Lees Wer die Nachtigall stört: Kann sich die Protagonistin damit abfinden, in einer unperfekten Welt erwachsen zu werden, und das auch noch als Mädchen?
  • Adam Hasletts „Der Ursprung der Verzweiflung“: Sieht der Protagonist endlich ein, dass er den Trauerprozess um seine Eltern nicht umgehen kann?
  • Jhumpa Lahiris „Eine vorübergehende Sache“: Erkennt der Protagonist, dass er die Verantwortung für sich selbst übernehmen muss, bevor er in der Lage ist, ein guter Ehemann und Vater zu werden?

Diese Fragen sind keine, die man sich gern stellt und diese Protagonisten haben es lange geschafft, ihnen aus dem Weg zu gehen. Aber unsere Kollegen haben sie dazu gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen, mit allen Mitteln, und am Ende haben die Protagonisten eingesehen, dass ihre Probleme genau daher rühren. Aber nicht alle sind bereit, sich zu ändern; hier ein Beispiel für einen Protagonisten, der sich seiner Transformation bis zum Schluss erfolgreich verweigert – und damit auch dem Leser das Herz bricht:

  • Richard Fords Der Sportreporter: Wird der Protagonist einsehen, dass es ihn unglücklich macht, alle Menschen auf Abstand zu halten?

Graben Sie, NACHDEM Sie den Erstentwurf beendet haben, nach dieser Frage und Sie haben gleichzeitig die passende Struktur für das gefunden, was mein Lehrer Alexi Zentner als „a beautiful mess“ bezeichnet hat. Jetzt können Sie sortieren. In Schubladen legen mit Aufschriften wie „vielleicht“, „vielleicht an anderer Stelle“, „Wiederholungen“, „gut“, „gut, aber an anderer Stelle“, „definitiv andere Geschichte“. Aber werfen Sie nichts weg, es kann sein, dass Sie beim 27. Entwurf wieder darauf zurückkommen. Vertrauen Sie darauf, dass es einen Grund für Sie gegeben hat, es zu Papier zu bringen. Auch wenn etwas nicht bis zur Endfassung bestehen bleibt, es war wichtig, weil es Ihnen dabei geholfen hat, Ihre Geschichte dahin zu führen, wo sie jetzt ist.

Sortieren Sie, schneiden Sie, tauschen Sie. Behalten Sie aber immer Ihre Anfangsfrage im Kopf, denn diese wird Ihnen Orientierung geben. Lassen Sie Ihren Protagonisten in den Dschungel gehen, führen Sie ihn immer tiefer, schicken Sie ihm immer mehr Gefahren entgegen, die genau auf die Anfangsfrage zielen. Und dann lassen Sie ihn mit  letzter Kraft das Ende des Dschungels erreichen und in der Ferne ein Dorf erkennen, eines, das ihm einen Platz am Lagerfeuer anbieten wird, etwas zu essen und zu trinken, und einen sicheren Platz zum Schlafen.  Jetzt beantworten Sie Ihre Frage mit ja, nein  oder vielleicht. Keine andere Frage. Nur diese interessiert Ihre Leser. Und wie. Deswegen hat er Ihr Buch gelesen, von Anfang bis Ende. Da hat er sich redlich verdient, die Frage, die ihn bei jeder Seite begleitet hat, endlich beantwortet zu bekommen.

Wenn Sie einigermaßen Englisch können, schauen Sie sich das wunderbare Tutorial  Craft a Story that Readers Can’t Put Down von James Scott Bell an.  Es wird Ihnen dabei helfen, aus Ihrem so entstandenen Erstentwurf  ein unvergessliches Buch zu machen. 

„Echte“ Charaktere Teil 2

Wer die Nachtigall stört von Harper Lee ist nicht fesselnd, weil ein Anwalt einen unschuldigen Sklaven verteidigt und doch nicht davor retten kann, vom wütenden Mob ermordet zu werden, sondern weil ein kleines Mädchen, das Probleme damit hat, erwachsen zu werden, alles miterlebt und sich infolgedessen mit ihrer eigenen Identität auseinandersetzt. Die Ereignisse einer Geschichte allein reichen nicht aus, sie müssen von der richtigen Person erlebt und erzählt werden, und nur das macht sie spannend. Der Leser muss einen Bezug zu den Menschen aufbauen können, die in die Ereignisse verwickelt sind.  

Wenn  Sie kein klares Bild Ihrer Charaktere vor Augen haben, wie soll es dann der Leser tun? Mit hilft es manchmal, wenn ich mir ein Foto aus dem Internet heraussuche. Ich  kopiere es in meine Notizen und gehe noch einmal alles durch. Passt die Erzählerstimme noch? Passt seine Gestik, seine Mimik? Passt das, was er sagt und zu wem? Sparen Sie keine Zeit und Mühe: ein guter Protagonist kann Jahrzehnte in Erinnerung bleiben. Lassen Sie Ihre Geschichte ein paar Tage ruhen und verbringen Sie die Zeit mit Ihrem Protagonisten. Schauen Sie genau hin: Sie wollen ins tiefste Innere. Und wenn Sie nicht weiterkommen, schauen Sie bei sich selbst nach. Gehen Sie dorthin, wo es richtig wehtut.

Hier noch ein paar weiterführende Fragen:

In welcher Situation befindet sich Ihr Protagonist? Am besten ist es eine, die nicht stabil, aber statisch ist, eine, mit der er nicht zufrieden ist, an die er sich aber gewöhnt hat und vielleicht nicht mehr den Mut oder die Kraft aufbringt, sie zu ändern. Wir erinnern uns: Das ausschlaggebende Ereignis bringt die Ordnung durcheinander und der Protagonist macht sich daran, sie wieder herzustellen.

Was wünscht sich Ihr Protagonist (besser noch: Was wollen alle Charaktere? Dazu komme ich noch, aber schon einmal vorweg: Je komplexer und unterschiedlicher Sie Ihre Charaktere gestalten, umso spannender; also: geben Sie jedem einen Wunsch und sorgen Sie dafür, dass es nicht die gleichen sind.)

Warum wünscht er sich das? Was motiviert ihn dazu?

Was ist sein Problem? Nicht eins, dass mit seiner Situation zusammenhängt, sondern dass er mitbringt, sein ureigenes Dilemma? (Bsp: Holden Caulfield fällt überall negativ auf, er kann sich nicht unterordnen etc.)

Was steht zwischen dem Protagonisten und seinem Wunsch?

Was passiert, damit aus der statischen Situation eine dynamische wird?

Inwiefern verändert das ausschlaggebende Ereignis die Situation? Welche neuen Hindernisse tauchen damit auf, die der Protagonist überwinden muss?

Sind diese Hindernisse groß und beängstigend für den Protagonisten? (Sonst sind es keine und er darf vor allem nicht drum herumgehen können.)

Gibt es immer mehr Komplikationen, die die Krise schon andeuten?

Befindet sich der Protagonist in einem echten Dilemma?

Inwiefern macht Ihr Protagonist eine entscheidende Veränderung durch?

Liegt es einerseits an den Geschehnissen und andererseits daran, dass er seine Sicht ändert?

Bekommt Ihr Charakter, was er sich wünscht? Das sollte er nicht, wenn Sie die Wirkung Ihrer Geschichte verstärken wollen.

Wie erschaffe ich „echte“ Charaktere?

Im Plot haben wir festgestellt, dass unser Protagonist einen Wunsch haben soll und er alles dafür tun muss, dass dieser in Erfüllung geht. Wir haben auch festgestellt, dass immer mehr Hindernisse in den Weg gelegt werden müssen, damit unser Protagonist zeigen kann, wie er wirklich ist. Der Leser will erleben, wie der Protagonist kämpft. Er will nicht Zeuge sein, wenn eine schöne Frau oder ein Lottogewinn vom Postboten gebracht werden. Nehmen Sie sich Zeit, Ihren Protagonisten kennenzulernen, versuchen Sie herauszufinden, ob er Löcher in seinen Socken hat oder ob er sich vor dem Schlafen die Zähne putzt. Sie müssen alles über ihre Figuren wissen, aber verraten dürfen Sie nur einen Bruchteil davon. 

  • Wie heißt Ihr Protagonist? Hat er einen Spitznamen? Wie ist seine Familiensituation? Leben die Eltern noch? Wo? Wer in seinem nahen Umfeld ist wann gestorben? Wann hat er das erste Mal Erfahrung mit dem Tod gemacht?
  • Was macht er beruflich?
  • Wie war seine Schulzeit? Sein Studium? Seine Ausbildung?
  • Wie sieht er aus (Haarfarbe, gefärbt,  Bart, Augen, Größe etc)?
  • Hat er besondere Merkmale (Muttermal, Narben, verschiedene Augenfarben)
  • Wer sind seine Freunde? Hat er keine? Viele? Mit wem ist er am liebsten zusammen? Hat er Feinde? Wen würde er am liebsten nie wieder sehen? 
  • Wo ist er geboren? Hat er immer an einem Ort gelebt? Was bezeichnet er als sein Zuhause?
  • Wohin geht er, wenn er wütend ist? 
  • Was ist seine größte Angst? Wer weiß davon? 
  • Hat er ein Geheimnis?
  • Was bringt ihn dazu, laut aufzulachen?
  • Wann war er das letzte Mal richtig verliebt? In wen? Hat er Liebeskummer? Hat er ihn überwunden?
  • Was ist in seinem Kühlschrank? Im Mülleimer? Auf dem Nachttisch?
  • Wohin geht  er Samstagabend?
  •  Mit wem verbringt er den Sonntagnachmittag?
  • Woran denkt er, wenn er an seine Kindheit denkt? Gibt es einen typischen Geruch, der ihn dorthin zurückbringt?
  • Ihr Protagonist räumt gründlich auf. Fällt es ihm leicht, etwas in den Mülll zu werfen? Wovon kann er sich gar nicht trennen?
  • Was ist er wochentags zum Frühstück? Was am Sonntagmorgen? Mit wem?
  • Nennen Sie eine Erinnerung, die er in seinem Herzen trägt?
  • Ihr Charakter geht aus. Was zieht er an? Mit wem trifft er sich?
  • Schreibt er Mails? Viele? Schreibt er Briefe? Postkarten? Was tut er mit denen, die er bekommt?
  • Wann stellt er sein Handy aus?

Sie fragen sich, wieso Sie sich solche Mühe machen müssen? Womöglich auch noch bei allen Figuren in Ihrer Geschichte? Dabei ist es nur ein Kurzgeschichte von vielleicht sechs Seiten? Zu Ihrer Erleichterung: Es sind nicht alle Charaktere, die Sie derart unter die Lupe nehmen müssen, nur die wichtigsten. Aber eins steht fest: Die Kurzgeschichte erfordert nicht weniger Mühe und Arbeit als ein Roman,der einzige Unterschied ist die sichtbare Anzahl der Wörter. Gerade in der Kurzgeschichte müssen Sie Ihren Protagonisten genau studieren, denn er ist der, der dafür sorgt, dass man sich an Ihre Geschichte erinnert.

Hier ist der Fragebogen von Marcel Proust, falls Sie noch mehr über Ihre Charaktere herausfinden wollen. 

Plot Teil 2

Der Schlüssel zum Plot ist der sehnliche Wunsch des Protagonisten. Ein Beispiel: Holden Caulfield aus Der Fänger im Roggen macht sich auf den Weg nach New York, um jemanden zu finden, der ihn nicht seltsam findet. Daraus ergibt sich die dramatische Frage: Wird Caulfield einen Ort finden, an dem er geliebt und akzeptiert wird, und zwar genauso wie er ist? Dann beantworten Sie am Schluss diese Frage mit ja, nein oder vielleicht.

Der Protagonist wünscht sich etwas, der Leser will, dass der Protagonist bekommt, was er sich wünscht, und Sie sorgen dafür, dass beide enttäuscht werden, damit die Geschichte nachhaltiger und berührender wird. Vergessen Sie den Angelhaken in der Einleitung sowie die Pointe am Schluss, beides sind Hauruckmethoden, die ein erfahrener Schriftsteller vermeidet.

Hier noch ein paar Tipps:

  • Erschaffen Sie eine Ordnung oder Routine, um sie zu unterbrechen und wieder herzustellen
  • Beginnen Sie die Geschichte kurz vor dem Höhepunkt 
  • Beginnen Sie die Geschichte an dem Punkt, wo alles außer der Handlung schon stattgefunden hat 
  • Geben Sie Ihrem Protagonisten ein Ziel und erwähnen Sie nur die dafür relevanten Ereignisse 
  • Ein Ereignis verursacht das nächste
  • Vollenden Sie den Prozess der Veränderung

Wenn Sie gefragt werden, worum es in Ihrer Geschichte geht, wollen Sie die passende Antwort parat haben. Laut John Gardner können Sie sich sowieso nur zwischen zwei Plotarten entscheiden: Ein Fremder kommt in die Stadt oder Jemand macht eine Reise. John Gardner ist übrigens auch der Meinung, dass Schmerz und gute Geschichten zusammengehören. Er muss es wissen: Als Junge hat er aus Versehen seinen kleinen Bruder überfahren und Zeit seines Lebens gegen diesen Schmerz angeschrieben.

Plot Teil 1

Der Plot ist das Gerüst, um das sich alle Elemente Ihrer Geschichte oder Ihres Romans winden. Er vereinigt alles zu einem Ganzen: Charaktere, Ereignisse, Stimme, Ort, Zeit etc. Er organisiert alle Elemente und führt am Ende zu der Auflösung der dramatischen Frage, die am Anfang gestellt wird. Geschichten, die einen Plot haben, werfen in der Einleitung eine Frage auf, die dramatische Frage, die am Ende mit ja, nein oder vielleicht beantwortet wird. Die dramatische Frage sorgt dafür, dass der Leser Ihre Geschichte unbedingt zu Ende lesen will.

Beispiele:

Der Fänger im Roggen: Findet Holden Caulfield einen Ort, an dem er geliebt und mit seiner ganzen Persönlichkeit akzeptiert wird?

Stolz und Vorurteil: Werden Elizabeth und Darcy heiraten?

Der alte Mann und das Meer: Wird Santiago noch einmal einen Fisch fangen, bevor er stirbt?

Gute Geschichten brauchen eine sinnvolle Anordnung von Ereignissen, die auf eine Auflösung zusteuern. Ein Ereignis führt zum nächsten. Das Leben mag interessant und spannend sein, aber es verfügt selten über einen Plot. Hier beginnt die Arbeit des Schriftstellers: Das reale Ereignis wird so transformiert, dass es eine allgemeingültige Aussage bekommt und so strukturiert, dass ein Plot daraus wird.

Motivation, Entscheidung und Veränderung sind die wichtigsten Bestandteile des Plots, und diese entwickeln sich aus der Persönlichkeit Ihres Protagonisten. Die meisten Geschichten haben einen Plot, auch wenn es Autoren gibt, deren Geschichten sehr gut ohne funktionieren (Lydia Davis, Donald Barthelme, etc. ). Der Motor der Plots ist der Konflikt.

Ein guter Plot basiert auf den Grundsätzen des klassischen Dramas: Der erste Akt führt den Protagonisten und die Umgebung ein und erzählt vom  ausschlaggebenden Ereignis, dass die Geschichte vorantreibt. Der zweite Akt schildert den zunehmenden Kampf des Protagonisten und führt im dritten Akt zur Krise mit abschließendem Höhepunkt. Im vierten Akt wird die Geschichte aufgelöst.

Wie soll meine Geschichte heißen?

Der Titel ist der wichtigste Teil der Geschichte, er ist das erste, was die Aufmerksamkeit des Lesers gefangen nehmen soll. Ein guter Titel macht den Leser gespannt auf die Geschichte. Er sagt viel über die Kreativität des Autors aus und sorgt dafür, dass der Lektor beim Lesen eine positivere Haltung haben wird.

Der Titel ist der Name Ihrer Geschichte, er wird sie dem Rest der Welt präsentieren, für jetzt und in alle Ewigkeiten. Überlegen Sie sich gut, welcher der beste Titel für Ihre Geschichte ist.

Es gibt durchaus Titel, die über mehrere Zeilenumbrüche gehen. Ein gutes Beispiel ist Dave Eggers‘ Ein herzzerreißendes Werk von umwerfender Genialität, ich habe es sogar aufgrund des Titels gekauft. Wenn ich es aber weiterempfehlen wollte, kam ich regelmäßig ins Stottern, und auch jetzt musste ich das Internet zu Rate ziehen. Deswegen: Fassen Sie sich kurz; drei bis fünf Wörter sollten ausreichen, wenn es eins tut, das aussagekräftig genug ist, umso besser. Titel sollten nicht hohl oder langweilig klingen und originell sein. Benutzen Sie Ihre Kreativität für einen Titel, der mit dem Thema, der Handlung oder den Charakteren der Geschichte im Zusammenhang steht. Hier noch ein paar Ideen: 

  • Ein kurzes Zitat aus einem Dialog oder ein bedeutungsvoller Satz aus Ihrer Geschichte
  • ein Sprichwort, dass das Thema Ihrer Geschichte wiedergibt. Spielen Sie mit dem Sprichwort, ändern Sie es, um einen Bezug zu Ihrer Geschichte herzustellen
  • Leihen Sie sich eine Zeile aus einem Klassiker
  • Wählen Sie den Namen eines Charakters oder den Ort, an dem es stattfindet
  • Zahlen haben etwas Magisches (recherchieren Sie, wie viele Titel mit Zahlen es gibt, Sie werden erstaunt sein)
  •  Das essentielle Thema, das Ihrer Geschichte zugrunde liegt
  • Lassen Sie die Handlung den Titel bestimmen

N.B.: Recherchieren Sie, ob der Titel schon vergeben ist. Auch wenn es dafür kein Copyright gibt, wollen Sie nicht, dass man Ihr Werk verwechselt.

Wie und was lesen wir?

Wir möchten, dass unsere Geschichten gelesen werden, also sollten wir auch die Geschichten unserer Kollegen lesen, und zwar am besten jene, von denen wir etwas lernen können. Wenn wir am liebsten Kurzgeschichten schreiben, sollten wir diese auch besonders oft lesen und dabei gründlich studieren. Wir können viel von den Klassikern lernen, wie z.B. von  O’Henry, Raymond Carver, Flannery O’Connor, Alice Munro etc., aber es ist auch wichtig zu schauen, was auf dem Gebiet heutzutage passiert und welche landestypischen Merkmale es gibt. Lateinamerika ist sehr spannend, hier gibt es viele moderne Kurzgeschichten, die einerseits mit dem Erbe der spanischen Kolonisation beschäftigt sind, aber auch schon nach Amerika schauen. Amerikaner sind besonders aktiv – und innovativ – bezüglich der kurzen Form, was auch die Vielzahl von Magazinen und Wettbewerben beweist, die Kurzprosa fördern. Wer des Englischen mächtig ist, sollte unbedingt einen Blick in die jährlich erscheinende Sammlung Best American Short Stories werfen, dort werden aus Hunderten von Magazinen die besten 25 Kurzgeschichten ausgewählt, und wenn man nicht unbedingt zur aktuellsten Ausgabe greifen muss, kann man online schon für ein paar Cent fündig werden. Aber es reicht nicht, nur eine Kurzgeschichte pro Schriftsteller zu lesen, nur wenn man mehrere miteinander vergleicht, kann man das Besondere erkennen. Es lohnt sich immer, die frühen und die späten Werke zu lesen, und natürlich auch die dazwischen liegenden. Gerade bei Raymond Carver ist das besonders spannend: berühmt geworden ist er, nachdem sein Lektor Gordon Lish seine Geschichten bearbeitet und mitunter bis auf ein Drittel gekürzt hat, aber das, was nach der Trennung erschienen ist, erinnert kaum noch an den Schriftsteller, den viele als Minimalisten bezeichneten.

Diese Schriftsteller sollten sich alle ansehen, die Kurzgeschichten schreiben (bestimmt habe ich welche vergessen, ich freue mich immer über Anregungen im Kommentar!):

Flannery O’Connor

Alice Munro

John Cheever

Ernest Hemingway

Richard Ford

Anton Tschechow

J.D. Salinger

John Updike

Franz Kafka

Lorrie Moore

Charles Baxter

Sylvia Townsend

Amy Hempel

Donald Barthelme

Joy Williams

Ann Beattie

Barbara Kingsolver

Joyce Carol Oates

John Updike

Eudora Welty

Siri Hustvedt

Junot Diaz

Richard Brautigan

Kate Chopin

Kelly Link

Isaak Babel

Ursula Hegi

Katherine Mansfield

Sherwood Anderson

James Baldwin

Dennis Lehane

Jhumpa Lahiri

Lydia Davis

Adam Haslett

Richard Bausch

Tim 0’Brien

Pam Houston

Ethan Canin

Leonard Michaels

Gabriel Garcia Marquez

Edgar Allan Poe

Guy de Maupassant

Alice Walker

Stephen Crane

Willa Cather

Frank O’Connor

Janaica Kincaid

Denis Johnson

Tatyana Tolstaya

Gordon Lish

Katherine Anne Porter

Ivan Turgenew

Colette

Jorge Borges

Isaak Babel

Nicolai Gogol

Edgar Allan Poe

Sam Lipsyte

Joy Williams

Mary Gaitskill

George Saunders

John Barth

Aimee Bender

Angela Carter

Robert Stone

Adam Johnson

Jane Bowles

Jean Rhys

Andre Dubus

Aber auch wenn Sie niemals vorhaben, etwas Längeres zu schreiben, sollten Sie sich nicht auf die kurze Form beschränken,  deswegen liste ich im Folgenden Romane auf, die mich besonders inspiriert haben. Es kommen immer wieder neue hinzu, und die Reihenfolge ist rein zufällig, außerdem fallen Ihnen bestimmt auch noch einige ein. Viele dieser Werke sind (potentielle) Klassiker und das sind sie nicht ohne Grund; wenn Sie sie nicht schon gelesen haben, sollten Sie es baldmöglichst tun, denn nur im Austausch mit anderen Geschichten haben unsere eigenen eine Chance. Lesen Sie wie Detektive, schauen Sie genau hin, wie ihr Kollege mit seiner Werkzeugkiste umgeht, lesen Sie die Geschichten der Anderen, um Ihre eigenen zu verbessern. Lesen Sie viel und überall – Stephen King bezeichnet sich als langsamen Leser, aber auf ein Buch pro Woche kommt auch er. Wie das Schreiben muss auch das Lesen zur Gewohnheit werden, dann werden Sie bald ganz automatisch gute Geschichten schreiben.

Sophies Entscheidung von William Styron

Der Goldfink von Donna Tartt

Die gleißende Welt von Siri Hustvedt

Die Straße von Cormack McCarthy

Die Wand von  Marlen Haushofer

Der Eissturm von Rick Moody

Weißes Rauschen von Don DeLillo

Einer flog über das Kuckucksnest von Ken Casey

Ragtime von E.L. Doctorow

Des Menschen Hörigkeit von M. Somerset Maugham

Unterwegs von Jack Kerouac

Der große Meaulnes von Alain-Fournier

Die Nackten und die Toten von Norman Mailer

Auf der Plaça del Diamant von Mercè Rodoreda

Was vom Tage übrigblieb von  Kazuo Ishiguro

Die unsichtbare Frau von Siri Hustvedt

Wiedersehen in Howards End von E.M. Forster

Herzog von Saul Bellow

Martin Dressler von Steven Millhauser

Eine amerikanische Tragödie von Theodor Dreiser

Schall und Wahn von William Faulkner

Amerikanisches Idyll von Philip Roth

Portrait einer jungen Dame von Henry James

Pedro Páramo von Juan Rulfo

Die Enden der Parabel von Thomas Pynchon

The Sun Also Rises von Ernest Hemingway

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit von Marcel Proust

In-Schwimmen-Zwei-Vögel von Flann O’Brien

Yo! von Julia Alvarez

Zenos Gewissen von Italo Svevo

Der Meister und Margarita von Michail Bulgakow

White Mule von William Carlos Williams

First Light von Charles Baxter (bis jetzt nicht ins Deutsche übersetzt)

Hundert Jahre Einsamkeit von Gabriel García Márquez

Der Liebhaber von Marguérite Duras

Glück für Jim von Kingsley Amis

Wenn ein Reisender in einer Winternacht von Italo Calvino

Schwester Carrie von Theodor Dreiser

Die allertraurigste Geschichte von Ford M. Ford

Schlachthaus 5 von Kurt Vonnegut

Schöne neue Welt von Aldous Huxley

1984 von George Orwell

Die Heredias von Carlos Fuentes

Der Gesang des Fidelis Waldvogel von Louise Erdrich

Brooklyn von Colm Toibin

Wer die Nachtigall stört von Harper Lee

Himmel und Hölle von Julio Cortázar

Der Fänger im Roggen von J.D. Salinger

Moby Dick von Herman Melville

Das Herz der Finsternis von Joseph Conrad

Ulysses von James Joyce

Stolz und Vorurteil von Jane Austen

Zeiten des Aufruhrs von Richard Yates

Der große Gatsby F.Scott Fitzgerald

Anna Karenina von Leo Tolstoi

Schuld und Sühne von Fjodor Dostojewski

Die Korrekturen von Jonathan Franzen

Das Herz ist ein einsamer Jäger von Carson McCullers

Ehepaare von John Updike

Sturmhöhe von Emily Bronte

Jazz von Toni Morrison

Die Erziehung der Gefühle von Gustave Flaubert

Lolita von Vladimir Nabokov

Tante Lisbeth von Honoré Balzac

Der Prozess von Franz Kafka

Der Fremde von Albert Camus

Große Erwartungen von Charles Dickens

Die Abenteuer des Huckleberry Finn von Mark Twain

Was am Ende bleibt von Paula Fox

My Antonìa von Willa Cather

Früchte des Zorns von John Steinbeck

Licht im August von William Faulkner

Der Sportreporter von Richard Ford

Turbulenzen von Cheng rae Lee

Leaving the Atocha Station von Ben Lerner

Autobiography of Red von Ann Carson

Leb wohl Berlin von Christopher Isherwood

Schande von J.M. Coetzee

2666 von Roberto Bolaño

Good Morning, Midnight von Jean Rhys

Zwei ernsthafte Damen von Jane Bowles

Seitenwechsel von Nella Larsen

Giovannis Zimmer von James Baldwin

Die Rougon-Macquart von Emile Zola

Die See von John Banville

Arturos Insel von Elsa Morante

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit von Marcel Proust (und nicht nur den ersten Band!)

Die Blütezeit der Miss Jean Brodie von Muriel Spark

Dein Gesicht morgen von Javier Marías

Die Frau im Dunkeln von Elena Ferrante

Point Omega von Don Delillo

Das Todesjahr der Ricardo Reis von José Saramago

Tod auf Raten von Céline

Pnin von Vladimir Nabokov

Sterben von Karl-Ove Knausgård

Leviathan von Paul Auster

Puttermesser und ihr Golem von Cynthia Ozick

Vom Gehen in Eis: München-Paris von Werner Herzog

Arturos Insel von Elsa Morante

La Noia von Alberto Moravia

Der Report der Magd von Margaret Atwood

Madrapour von Robert Merle

Die Zeit des Unbehagens von Dacia Maraini

Liebende Frauen von D.H. Lawrence

Melancholie von Jon Fosse

Der Circle von Dave Eggers

Große Erwartungen von Charles Dickens

In meinem Himmel von Alice Sebold

Der größere Teil der Welt von Jennifer Egan

Die einsamen Frauen von Cesare Pavese

Hummelhonig von Torgny Lindgren

Gescheckte Menschen von Hugo Hamilton

Obabakoak von Bernardo Atxaga

Tess von D’Urbervilles von Thomas Hardy

Erica und ihre Schwestern von Elio Vittorini

Eheleben von Sergio Pitol

Caro Michele von Natalia Ginzburg

Meine geniale Freundin von Elena Ferrante

Die Haut von Curzio Malaparte

Terra Amata von Jean-Marie Gustave Le Clézio

La Storia von Elsa Morante

Freiheit von Jonathan Franzen

Mein Name ist Lucy Barton von Elizabeth Strout

Besessen von Antonia S. Byatt

Wenn Sie noch mehr Inspiration brauchen, können Sie im Internet fündig werden. Es gibt ein „Best of“ von den New York Times, dem Guardian, besonders nett hat es das Time Magazine gestaltet. Und hier finden Sie die Liste der Zeit.

Entwicklung und Transformation des Protagonisten

Ein klar definiertes Ziel gibt dem Protagonisten und dem Plot Struktur. Ein Leser, der weiß, was der Protagonist will, kann mit ihm fühlen und interessiert sich dafür, wie er in seinem Streben nach dem Ziel vorankommt. Ein klares Ziel führt dazu, dass der Leser sich fragt: Wird der Protagonist sein Ziel erreichen oder nicht?

Ein Protagonist kann sich beispielsweise wie in Raymond Carvers Kurzgeschichte „Kathedrale“ als Ziel setzen, dass er so schnell wie möglich zu seinem isolierten Kifferalltag zurückkehren kann. Wir Schriftsteller entwickeln darüberhinaus ein abstraktes Ziel, das sich der Protagonist gar nicht eingestehen will,  und dieses kann genau das Gegenteil sein; für Carvers Protagonisten bedeutet das also, wieder eine Verbindung zu seinen Mitmenschen aufzubauen. Ein konkretes Ziel zu Beginn gibt dem Leser Halt, ein abstraktes Ziel erweckt die Hoffnung, dass er etwas für sein eigenes Leben lernen kann. 

Um einer Geschichte Tiefe zu geben, muss der Protagonist eine entscheidende Transformation erleben. Er darf am Ende nicht mehr derjenige sein, der er am Anfang der Geschichte war. Ein Charakter, der Schwächen birgt, hilft dabei, weil er in der Geschichte mit seinen Schwächen konfrontiert wird und diese überwinden muss, um sein Ziel zu erreichen. Die Schwächen Ihres Charakters dürfen natürlich nicht grundlos sein. Sie haben ihren Ursprung in der persönlichen Geschichte des Protagonisten. Nach der Krise wird dem Protagonisten seine spezifische Schwäche klar und er begibt sich auf den Weg, daran zu arbeiten.

Ein Protagonist kann viele Schwächen haben: Jähzorn, Streitsucht, Passivität, er kann sich immer als Opfer sehen und die Eigenverantwortung verweigern, er kann lügen und betrügen, er kann stur sein, sich immer im Recht sehen, immer alles perfekt machen wollen, immer wieder alles aufschieben wollen, immer alles sofort verurteilen. Versuchen Sie herauszufinden, was genau die Schwäche Ihrer Protagonisten ist und was er will. Es zeigt dem Leser gleich am Anfang, um was für eine Person es geht und wonach diese Person strebt. Am Ende der Geschichte hat diese Person eine entscheidende Veränderung gemacht. Um diese Veränderung in ihrem gesamten Ausmaß zu erkennen, muss der Leser wissen, was der Ausgangspunkt war.

Natürlich gibt es große Beispiele aus der Literatur, bei denen der Protagonist bis zum Schluss blind bleibt;  Hamlet und Richard Fords Der Sportreporter sollte man allein schon aus diesem Grund genauer studieren, auch wenn man sich überlegt, welche Wirkung das Ende einer Geschichte auf den Leser haben soll. Für einen Protagonisten, der sich derart dagegen sträubt, seine Fehler und Schwächen zu erkennen, sollte sich die Lage zunehmend verschlechtern und in der absoluten Leere enden, genauso wie bei Hamlet. 

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