Eine Geschichte wird in einem Wechselspiel von Szenen und Zusammenfassungen präsentiert. Szenen ziehen uns ins Geschehen, Zusammenfassungen lassen uns das Ganze mit mehr Abstand betrachten und ermöglichen Atempausen, in denen Ereignisse reflektiert oder notwendiges Hintergrundwissen geliefert werden können.

Lassen Sie uns folgenden Ausschnitt aus „Ysrael“ von Junot Diaz daraufhin untersuchen:

Zusammenfassung: Wenn er zu diesen Mädchen ging, hatte er immer dieselben Klamotten an, ein Hemd und eine Hose, die ihm mein Vater letzte Weihnachten aus den Staaten geschickt hatte. Ich folgte Rafa immer, versuchte ihn zu überreden, dass er mich mitnahm.
Szene: „Geh nach Hause“, sagte er dann. „In ein paar Stunden bin ich wieder zurück.“
„Ich begleite dich.“
„Ich brauch keine Begleitung. Warte einfach auf mich.“
ZusammenfassungWenn ich nicht lockerließ, boxte er mich auf die Schulter und ging weiter, bis von ihm nichts mehr zu sehen war als die Farbe seines Hemdes durch die Lücken im Laub. Etwas in mir fiel in sich zusammen wie ein Segel. Wenn ich dann seinen Namen rief, rannte er weiter und die Farne, Zweige und Blütenhülsen zitterten unter seinen Schritten.

Merke:

  • Eine Zusammenfassung präsentiert eine relativ lange Zeitspanne oder Wiederholungen, eine Szene vermittelt das Gefühl von Einmaligkeit und passiert quasi in Echtzeit
  • Die Zusammenfassung ist nützlich, weil sie Informationen zum Charakter und zum Setting gibt, das Tempo steigert, (langweilige) Passagen oder ereignislose Zeiten überbrücken kann
  • Die Szene ist wichtig, weil sie uns erlaubt, live dabei zu sein; wir erleben direkt, was die Figuren erleben
  • Dialoge sind immer Szenen
  • Eine Szene muss entscheidende Momente der Geschichte enthalten, eine Konfrontation, einen Wendepunkt, die Krise; diese Momente können nicht zusammengefasst werden, weil sie den Leser um das Erleben bringen würden
  • Die Zusammenfassung schafft eine Distanz zum Geschehen (Zoom-Out); wenn die Szene beginnt, werden wir ins Geschehen hineingezogen (Zoom-In)
  • Momente der Veränderung müssen live und in Echtzeit erlebt werden, also als Szene
  • Die Zusammenfassung beschreibt die Dinge, wie sie bis jetzt gewesen sind, dann passiert etwas, das in Echtzeit, im Präsenz erzählt werden muss, also als Szene
  • Die Momente, die unser Leben ändern, bleiben im Detail in Erinnerung
  • In Momenten der Krise passiert es sogar, dass die Uhr langsamer als in Echtzeit tickt; in Zeitlupe wirkt eine Szene noch intensiver

Arrangieren Sie Zusammenfassungen und Szenen so, dass Sie die Stimmung und die Spannung optimal transportieren. Wenn Ihre Geschichte zu langatmig erscheint, fügen Sie ein paar Szenen hinzu. Wird zuviel Zeit mit scheinbar belanglosen Dingen verquasselt, machen Sie aus den Szenen Zusammenfassungen. Auf die richtige Mischung kommt es an.